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Text about the work
Während der Arbeit an den ersten drei Figuren vom Fries der Lauschenden, die Barlach 1930 und 1931 im Auftrag von Ludwig Katzenellenbogen ausführte, war ihm die künstlerische Aussage der Figuren-Reihe zunehmend wichtiger geworden. Auch als 1933 feststand, dass der Auftrag von Katzenellenbogen annulliert werden musste, hielt Barlach standhaft an der Gesamtkonzeption fest:
»Es gibt Erwartungen, die man unwahrscheinlich nennen möchte, aber es gibt auch Überzeugungen, wie meine, von denen man einfach nicht ablassen kann. So eine ist die von der Einheitlichkeit dieser zehn Figuren als einer Harmonie, die zu unterbrechen keine Krise fähig ist. Auch die drohende Nähe meines eigenen Ungemachs wird meine Hoffnung nicht verscheuchen, dass es einmal doch zur Vollendung dieser Arbeit kommen wird« (Ernst Barlach, Die Briefe, Bd. 3, S. 456)
Im August 1934 reisten der Hamburger Industrielle Hermann F. Reemtsma und der Maler Hugo Körtzinger nach Güstrow, um eine Skulptur von Barlach für Reemtsmas Kunstsammlung zu erwerben. Die Begegnung mit dem Künstler, der durch die seit 1933 öffentlich autorisierten Diffamierungen seiner Person und seines Werks immer stärker in die Isolation getrieben wurde, hinterließ bei Reemtsma einen tiefen Eindruck.
So erwarb er nicht nur die Holzskulptur Der Asket, sondern ging auch bereitwillig auf den Vorschlag Hugo Körtzingers ein, Barlach mit der Vollendung der Figuren-Reihe vom Fries der Lauschenden zu beauftragen. Im November 1934 kam ein schriftlicher Vertrag zwischen Barlach und Reemtsma zustande, der die Erwerbung des nunmehr auf neun Skulpturen festgelegten Werks regelte. Dem bedrängten Künstler wurde damit eine wirkungsvolle finanzielle Entlastung in Aussicht gestellt und eine Arbeit ermöglicht, bei der er endlich wieder »Heiterkeit und Gelassenheit« gewinnen konnte (Ernst Barlach, Die Briefe, Bd. 4, S. 147).
Bis November 1935 entstanden Der Gläubige, Die Pilgerin, Die Erwartende, Der Begnadete, Der Blinde und Der Empfindsame.
»Es sind sozusagen lauter Heiligen- und Andachtsgestalten« konstatierte Barlach nach Vollendung des Werks (Ernst Barlach, Die Briefe, Bd. 4, S. 226). In der Tat erinnert der Fries der Lauschenden an die feierliche Reihung von Propheten-, Apostel- und Heiligenfiguren, wie sie durch die Ausstattung von Fassaden, Portalen und Innenräumen mittelalterlicher Kirchen in vielfältigen Varianten überliefert ist. Doch Barlachs Figuren sind nicht in eine feststehende, hierarchisch gegliederte Heilsordnung integriert. In der unterschiedlich akzentuierten Haltung des Sich-Öffnens gegenüber einer geistigen Welt stehen die in sich gekehrten Lauschenden isoliert für sich; zugleich fügen sie sich in der Reihung zu einem harmonischen Ganzen, »darin eins dem anderen wohl will und jedes zur Steigerung des Zueinandergehörens beiträgt (Ernst Barlach, Die Briefe, Bd. 4, S. 48). Der Fries der Lauschenden formuliert somit die Hoffnung, dass alle Menschen, die nach einer die vorgefundenen Gewissheiten überschreitenden, ins »Jenseits« führenden geistigen Einsicht suchen, in einer freien, von Toleranz geprägten Gemeinschaft willkommen sind, die als Perspektive einer humanen Gesellschaft unverzichtbar sind.
Works data
Title | Frieze of the Listeners |
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Date | 1930–1935 |
Set / Series | Fries der Lauschenden |
Material / Technique | Holz (Eiche) mit getöntem Überzug |
MEASURES | |
Signature | |
Labeling | |
Work group | Sculpture and plastic |
Inventory no. | |
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WVZ | Laur II 0441, 0471, 0472, 0570, 0573, 0576, 0577, 0578, 0582, 0585 |
Note | – |
Edition | – |
Acquisition | Als Stiftung von Hermann F. Reemtsma, Hamburg, 1962 |
Provenience |
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Photo | © Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg; Foto: Andreas Weiss |